Zur Frühgeschichte
Der Tarrenzer Boden ist ein geschichtsträchtiger, weisen doch die Namen Tarrenz (lat. Torrens – wilder Bach) und der des Weilers Strad (lat. Strata – Straße) auf römischen Ursprung hin. Der römische Einfluss wurde nicht zuletzt durch die „via claudia“ geprägt, welche am Fuße des Tschirgants entlang, vom Reschenpass kommend, in Richtung Fernpass führte.
Neben römischen Münzen aus der Zeit Kaiser Caligulas, Gewandfibeln und Hipposandalen wurden im heutigen Weiler Dollinger-Lager (zurückzuführen auf das einstige KDF-Lager 1938-1943) reichhaltige Funde gemacht, die der La Téne Zeit zugerechnet werden. Diese sind im Landesmuseum Ferdinandeum einsichtig.
Die Starkenberger
Das Geschlecht der Starkenberger erlangte im ausgehenden Mittelalter eine große politische und wirtschaftliche Bedeutung in Tirol; Die Ursprünge des späteren Adelsgeschlechts sind nicht restlos geklärt; mit hoher Wahrscheinlichkeit kamen sie als Ministerialen der Staufer ins Land. In Tarrenz errichteten sie am Eingang der Salvesenschlucht ihr Stammschloss. In kurzer Zeit geboten sie über eine große Anzahl von Lehensleuten, nach und nach konnten sie über viele Burgen in Nord- und Südtirol das Starkenberger Banner wehen lassen. Sie ließen vielerorts, auch in entlegenen Seitentälern, Schwaighöfe errichten, welche den Starkenbergen guten Zins brachten. Heutige Siedlungen und Gehöfte fanden in dieser Siedlungspolitik ihren Ursprung.
Mit dem Erstarken der Tiroler Adeligen musste es zu Spannungen mit den Habsburgischen Landesherrn kommen. An forderster Front die Starkenberger, welche ihren Streit bis in die Kaiserstadt Wien ausfochten und - verloren. Im sog. „Starkenberger Rotulus“, frühes 15. Jh., einzusehen im Tiroler Landesarchiv, ist die Streitschrift dargelegt. Schließlich kam es zum Kampf, die Burg Altstarkenberg wurde genommen und zerstört. Von der Burganlage sind heute nur noch der Halsgraben und zwei Mauerstücke erhalten.
Ein besseres Los widerfuhr derjüngeren Burg , etwas weiter westlich liegenden Burg Neu-Starkenberg, welche schon vorher in landesfürstlichen Besitz überging und so von der Zerstörung verschont blieb. Im 17. Jh. ging die Burg in bürgerlichen Besitz über. Seit 1810 bis dato wird auf Schloss Starkenberg Bier gebraut.
Tief in der Salvesenschlucht erhob sich einst ein einzelner Turm, der sog. „Föllture“, welcher im Mittelalter Wohnturm für Knechte und Gefolgsleute der Starkenberger Ritter gedient haben soll. Heute nur noch als Mauerrest ersichtlich, ranken sich gar schaurige Geschichten um diesen Turm, nach welchen reiche Kaufleute und Wanderer von den „Raubrittern“ in das Turmverlies gesteckt wurden und erst gegen hohes Lösegeld wieder freigelassen wurden. Die tatsächliche Bedeutung ist letztlich aber unklar, sie dürfte ev. mit dem alten Saumweg ins Lechtal bzw. zu den Bergwerkstollen der Umgebung in Verbindung stehen.
Zur Wirtschaftsgeschichte von Tarrenz
Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit bestimmte der Bergbau das dörfliche Geschehen entscheidend mit. Am Tschirgant im Süden und in den Bergen nördlich von Tarrenz wurde erfolgreich nach Metallen geschürft. Allerdings ließ die schlechte Verbindung zu den Abbaugebieten - nur über schwierige Saumwege – und der vergleichsweise geringe Metallgehalt den Bergbau mit Ende des 18. Jh. allmählich zum Stillstand kommen. Abwanderung und Armut waren die Folge. Die hernach aufkommende Zucht und der Handel mit von Kanarien- und anderen Singvögeln aus Tarrenz und Imst in aller Herren Länder ist als notwendige Reaktion darauf zu sehen.
Eine Besonderheit in der wirtschaftlichen Entwicklung von Tarrenz lag in der Produktion von Sensen und Nägel. Noch vor 150 Jahren erzeugten die zahlreichen „Schmitten“ entlang des Salvesenbaches Produkte für den Vertrieb im gesamten Oberland. Waffen, Huf- und Schuhnägel fanden guten Absatz. Dies änderte sich im Laufe der Zeit, eine Schmitte nach der anderen musste zusperren. Über Jahre stand auch die letzte Schmiede still, erst 1999 eröffnete ein junger Schmied wieder einen Betrieb, dessen Produkte sich klarerweise gänzlich von den früheren unterscheiden.
Der Ort stand wirtschaftlich schon früh im Einfluss der nahen Stadt Imst. Mit dem Aufkommen der Textilindustrie in Imst fanden auch viele Tarrenzer dort Arbeit. Aus einst rein bäuerliche Strukturen wurde nach und nach eine Mischsiedlung. Von den heute rund 2500 Einwohnern sind ca. 10% in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt, während rund 60% in Industrie und Gewerbe Arbeit finden. Nach wie vor fällt den landwirtschaftlichen Betrieben eine große wirtschaftspolitische Aufgabe zu.
Die 7.464 ha Bodenfläche von Tarrenz gliedert sich in
53,5% Staats-, Gemeinde und Privatwaldungen,
36,7% Berge und Ödland
0,2% Bauland
9,6% landwirtschaftlich nutzbare Fläche (inkl. Almen)
Die Almen von Tarrenz liegen im Gebiet Tarrenton (ca. für 350 Stück Großvieh), hinter der Heiterwand gelegen.
Die zuletzt in den 50er Jahren renovierte und neu errichtete Alpe Tarrenton wurde in den letzten Jahren auf den letzten technischen Stand gebracht uns ist eine der letzten Sennalmen im Bezirk Imst.
Eine Besonderheit für den Ort stellt die Schafzucht dar. Wurden einst hunderte von Schafen aufgetrieben, musste die Schafzucht einen steten radikalen Rückgang erfahren. Erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts verbuchten die Schafzüchter wieder steigende Tendenz. Derzeit werden ca. 800 Schafe in die Alpe Hinterberg und ins Alpeiltal getrieben. Die „Schafschied“, der Tag, an dem die Tiere wieder von den Almen kommen, wurde wieder zu einem Fest für das ganze Dorf.
Oben genanntes Schloss Starkenberg bildete mit ihren Ländereien und der großen Landwirtschaft über die Jahrhunderte hinweg eine der wichtigsten Lebensadern der Gemeinde, noch heute ist die Brauerei einer der größten Arbeitgeber des Ortes.
Tourismus
Seit dem zweiten Weltkrieg stellt der Tourismus ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Gemeinde dar. Drei Hotels bzw. Gasthöfe, mehrere Pensionen und etliche private Vermieter von Zimmer mit Frühstück oder Ferienwohnungen/-häuser sind die Basis des kleinen, aber feinen Tourismus in Tarrenz. Derzeit verzeichnen die Tarrenzer Betriebe ca. 60.000 Nächtigungen pro Jahr.
Mag. Jürgen Kiechl, Tarrenz im November 2004